Gabriela Tarcha und ich haben das somebody.kollektiv 2010 gegründet. Uns vereinte das Interesse künstlerisch mit Körpern in der Stadt zu arbeiten und nicht für die Bühne zu produzieren. Mir ist es ein Bedürfnis künstlerisch im Kollektiv zu arbeiten. Ich möchte die Auseinandersetzung und das Reflektieren von Ideen, ich möchte Verantwortung, Aufgaben, Freude und Kritik teilen. Ich möchte einen künstlerischen Rückzugsort, an dem ich nicht alleine bin, von dem Dinge ausgehen und an den wir zurückkehren können. Das Leben und Agieren aus der Gemeinschaft heraus ist ein weiteres Interesse. Gabriela lebt mittlerweile wieder in Sao Paulo, 2016 habe ich einen Neustart des Kollektivs mit Philine Herrlein und Katharina Sim gemacht.

Aus dem Interesse an Gemeinschaft entstanden unsere Ideen für die Forschungsphase „Three is a crowd“: Wir wollten einen Dreierkörper herstellen, als ein Körper agieren. Hierfür wollten wir neue Zugänge und Methoden suchen und nicht auf Altbekanntes zurückgreifen. Wir wollten den Dreierkörper nicht über Berührung oder Kontaktimprovisation herstellen. Wir wollten eine intuitive Verbundenheit herstellen. Daraus entstand ein Interesse an der Komplizenschaft, wie Gesa Ziemer sie beschreibt: Komplizen verbünden sich, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Nach außen ist ihr Bündnis nicht sichtbar. Ihr Vertrauen zueinander ist groß, sie sind voneinander abhängig. Aus unseren Hauptanliegen, dem Dreierkörper und der Komplizenschaft, entstanden weitere Themenbereiche und Fragestellungen: Sichtbarkeit/ Unsichtbarkeit [Kunst ist meist erkennbar, Komlizenschaft geheim], Lüge/ Wahrheit [Geschichten von einer werden im Dreierkörper Allgemeingut], Nähe/ Distanz [Der Dreierkörper hat uns erstmal nah zueinander gebracht, doch Komplizenschaft lässt Bande unsichtbar werden und erlaubt Distanz], Geheimnis, Ziel und das Bedürfnis im öffentlichen Raum zu arbeiten.
Stationen des Projektes:
Wir fuhren zunächst für ein paar Tage in den Odenwald, um viel Zeit zu dritt zu verbringen. Um nicht aus anderen Arbeitszusammenhängen und privatem Alltag in unsere Recherche zu stürzen.
Im Studio:
Als wären wir ein Körper: Bei der Aufgabe ein werbefähiges Foto zu schießen, kam uns die Idee, zu dritt ein Kleidungsstück anzuziehen. Diesen Ansatz haben wir später weiter erforscht.
Den anderen Körper behandeln, wie den eigenen: eine unserer ersten Aufgaben war, dass wir uns zu dritt ausziehen. Wir haben verschiedene Konstellationen probiert: Zwei ziehen eine aus – wir dachten, dass das viel schneller gehen müsse, als alleine, da wir ja mehrere sind, das war aber ein Trugschluss – im Kreis, jede hilft derjenigen vor sich. Aber alles dauert länger zu dritt.
Übergriffigkeiten: Gesten, wie Kratzen, Frisur richten, Nase putzen am anderen Körper vornehmen (an eine Grenze kamen wir bei intimen Berührungen).
Erzählen als Praxis: Wir haben begonnen Geschichten und Sätze der anderen beiden aufzugreifen und zu erzählen, als wären es unsere Geschichten. Hierdurch entstand eine gemeinsame Erzählung, geteilte Erinnerungen- wir fanden zu einer eigenen Wahrheit.
Zuhören als Praxis: Immer wieder Fragen stellen, um mehr Geschichten zu finden.
Masken: Wir haben Portraitfotos von uns als Masken verwendet und zerschnitten und neu wieder zusammengesetzt. Unser Dreierkörper wurde zu einem Spiel mit Identitäten. Wir haben die Möglichkeit eine von uns zu sein.
Draußen:
Wir haben im öffentlichen Raum mit einfachen Regeln gespielt und sind kaum aufgefallen. Dann sind wir kurz abgedriftet, weil wir Aufmerksamkeit wollten. Kathi hat getanzt und Leute angesprochen, wir haben in der Innenstadt unsere Arme hochgerissen und sind schnell durch die Menschenmassen gerannt.
In der Reflektion fiel uns auf, dass das nichts mit Komplizenschaft zu tun hat, es war nicht unauffällig und es brachte die falsche Art von Aufmerksamkeit („was machen die denn da?“ „Was soll das denn?”). Wir beschlossen, dass wir draußen nicht performativ sein müssen. Einfache Regeln, Fotos aufkleben, Mäntel tauschen, Gestenfolge.
Spannend war der schmale Grat, wenn wir etwas taten, was nicht offensichtlich performativ ist, aber etwas vom gewöhnlichen, „normalen“ Verhalten abrückt: Zu dritt an einem ungewöhnlichen Ort stehen, nichts tun, zu dritt ganz langsam laufen. Der Bereich, der nicht einzuordnen ist… Eine Gang sein. Einer eigenen Dynamik folgen, nicht Auffallen um jeden Preis, sondern sich vom öffentlcihen Raum absetzen.
In der Innenstadt steht man viel im Weg. Die Menschen wollen nur shoppen, oder schnell von A nach B. Dennoch finden wir es wichtig, auch andere Sachen in den öffentlichen Raum zu stellen, vielleicht einfach, damit sie da sind. Nun ist die Diskussion über die Nutzung der Innenstädte viel lauter, als zu dem Zeitpunkt, zu dem wir das Projekt durchgeführt haben. Der öffentliche Raum sollte mehr Raum für Austausch und zum Verweilen bieten, künstlerische Äußerungen sollten alltäglicher werden, geistiges Futter, alles jenseits von Konsum macht Städte viel attraktiver.